Bombenalarm in Mannheim: Ein herrenloser Koffer versetzte Polizei und Bürger gestern am Paradeplatz in Aufregung. Mit einem Fahrradschloss war der Trolly an einen Haltestellenmast angekettet. Vom Besitzer fehlte jedoch jede Spur. Der Polizei blieb aus Sicherheitsgründen nichts anderes übrig, als den Platz weiträumig abzusperren. Die Straßenbahnen wurden umgeleitet, das Warenhaus Galeria Kaufhof evakuiert. Zwei Stunden später gab es endlich Entwarnung. Ein Freund des Kofferbesitzers meldete sich an der Absperrung bei der Polizei. Falscher Alarm: In seinem Trolly befanden sich nur Bücher einer asiatischen Religionsgemeinschaft.
Kein Durchkommen am Paradeplatz: Gestern Nachmittag zwischen 13.45 Uhr und 15.30 Uhr steht im Zentrum der Stadt alles still. Ein dunkelblauer Ziehkoffer legt die Quadrate P 1 und O 1 lahm. Zwei Stunden lang fährt keine Straßenbahn, kein Passant schlendert über diesen Teil der Planken. Stattdessen leuchten den Schaulustigen bis zur Gruppello-Pyramide rot-weiße Absperrungsplanen entgegen. Rund 30 Polizeibeamten in Uniform und zivil sorgen dafür, dass niemand dem Gepäckstück zu nahe kommt. „Wir müssen im Moment absolut auf Nummer sicher gehen“, betont Polizeisprecher Martin Boll mit Blick auf die versuchten Terroranschläge in Koblenz und Dortmund der vergangenen Wochen.
Der Anruf, der den Großeinsatz ins Rollen bringt, erreicht die Leitzentrale der Polizei um 13.28 Uhr. Ein Straßenbahnfahrer informiert die Beamten über das herrenlose Gepäckstück am Paradeplatz. An einer Stange sei ein Rollkoffer mit einem Fahrradschloss festgekettet, erklärt der Zeuge. Nur wenige Minuten später begutachten Beamten den Koffer. Sofort beginnen sie abzusperren, ab 13.45 Uhr geht zwischen Hauptpost, C&A-Filiale und Freßgasse nichts mehr.
Rick, der Sprengstoff-Polizeihund, hat seinen großen Auftritt 50 Minuten später. Langsam pirscht er sich daher an den Ziehkoffer an, schnüffelt, streunt weiter, schnüffelt wieder und – dreht ab. „Kein Sprengstoff“, erklärt Boll. „Entwarnung können wir trotzdem keine geben. Auf Gas und Elektrozünder springt der Hund ja nicht an. Und auch das kann Teil einer Bombe sein.“ Jetzt sollen Delaborierer das Fundstück unter die Lupe nehmen. Die Experten für Spreng- und Brandvorrichtungen kommen von der Landespolizeidirektion Karlsruhe, knapp sechzig Minuten vergehen, bis sie am Paradeplatz auftauchen. Gerade als sie gegen 15:15 Uhr um die Ecke biegen, vermeldet der Polizeifunk: „Der Besitzer des Koffers hat sich gemeldet.“
Ein junger Mann mit dunkelblondem Irokesen-Haarschnitt kommt mit einem Stapel Bücher unter dem Arm auf die Beamten zu. Es sei nicht sein Koffer, stellt er gleich klar. Aber er gehöre seinem Freund, der darin Bücher aufbewahre, um sie an Passanten zu verkaufen. Ein Raunen geht durch die Menge. Zwei Polizisten in zivil führen das 33-jährige Mitglied der hinduistischen Religionsgemeinschaft Hare Krischna zum Streifenwagen und überprüfen seine Aussage. Wenig später nähert sich der 33-Jährige mit einem der Sprengstoffexperten und einem Kripo-Beamten selbst dem Koffer. Der Griff ins Innere bringt tatsächlich nur Bücher zum Vorschein. Es ist 15:29 Uhr: Mannheim atmet auf.
Nach der Vernehmung werden der 33-Jährige und der 25-jährige Kofferbesitzer wieder auf freien Fuß gesetzt. „Es gibt keine Haftgründe“, erklärt Boll. Den beiden sei nach ersten Erkenntnissen nicht bewusst gewesen, was ein herrenloser Koffer auslösen könne. Auch Regressforderungen werden auf die Mönche wohl keine zukommen. „Wir haben zwar durch die Evakuierung bis zu 15 Prozent unsere Tageseinnahmen verloren“, sagt Andreas Eggert, Geschäftsführer der Galeria Kaufhof-Filiale am Paradeplatz. Für Regressforderungen gäbe es jedoch keine Grundlage. „Schließlich ist es nicht verboten, seinen Koffer an der Haltestelle anzuketten“, so Eggert.
Mannheimer Morgen von heute
Bin ich gestern zuf