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Politische Motive vermutet: Heimische Wirtschaft soll nicht zu sehr belastet werden

Stuttgart – Hinter den mangelhaften Steuerkontrollen, die der Bundesrechnungshof am Donnerstag monierte, vermutet die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG) in Baden-Württemberg auch politische Motive.

VON RAINER WEHAUS

„Die heimische Wirtschaft soll nicht zu sehr belastet werden“, argwöhnte Landeschef Franz Riß am Freitag gegenüber unserer Zeitung. Die Bundesländer stünden nun einmal miteinander im Wettbewerb und würden sich daher mehr oder weniger offen fragen, warum sie heimische Betriebe besonders intensiv überprüfen sollen, wenn die Mehreinnahmen dann ohnehin über den Länderfinanzausgleich an ärmere Länder verteilt würden. „Offiziell wird das aber kein Politiker zugeben“, fügte Riß hinzu.

Baden-Württembergs Finanzminister Gerhard Stratthaus verwahrte sich gestern strikt gegen diesen Vorwurf. „Meine Steuerbeamten machten ihre Arbeit gut, gesetzestreu und handeln nicht nach dem badisch-schwäbischen Landrecht“, sagte der CDU-Politiker unserer Zeitung. Er kritisierte zugleich den Wunsch der Bundesregierung, das Eintreiben der Steuern teilweise von den Ländern zu übernehmen, um so mehr Einnahmen bei weniger Bürokratie zu erreichen. Dies würde den Rückzug von Finanzämtern aus dem ländlichen Raum bedeuten. Außerdem werde der Verwaltungsaufwand nicht geringer, da die Länder nach den bisherigen Planungen weiterhin für die Gewerbe- und Landessteuern eine eigene Bürokratie vorhalten müssten.

Der Vorstoß des Bundes in dieser Frage gilt in Fachkreisen ohnehin als aussichtslos, da die große Koalition in Berlin dafür eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bräuchte.

Riß wies darauf hin, dass auch in Baden-Württemberg durch eine genauere Überprüfung der Steuererklärungen „sehr viel Geld“ realisiert werden könne. Darauf habe der Landesrechnungshof nach einer umfangreichen Überprüfung im März 2002 hingewiesen. Die Karlsruher Prüfer hatten damals 22 000 Steuerbescheide überprüft und waren zu dem Schluss gekommen, dass landesweit rein rechnerisch Mehreinnahmen von bis zu 362 Millionen Euro möglich wären. Als Gründe für die mangelhafte Bearbeitung von Steuererklärungen nannte der Rechnungshof das komplizierte Steuerrecht sowie die relativ dünne Personaldecke der Steuerverwaltung. Die Finanzbeamten hätten zu wenig Zeit für den Einzelfall, monierten sie. Sie forderten eine Optimierung der internen Verwaltungsabläufe, warnten aber zugleich auch vor weiteren Stellenstreichungen: „Einen weiteren Abbau von Personal bei den Veranlagungsstellen hält der Rechnungshof zum derzeitigen Zeitpunkt für nicht vertretbar.“

Laut Steuergewerkschaft hat das Stuttgarter Finanzministerium diesen Rat ignoriert. „Wir sind bislang in alle Programme zum Stellenabbau mit einbezogen worden“, sagte Landeschef Riß. Für dieses und die kommenden Jahre sind, wie das Ministerium bestätigte, weitere Stellenstreichungen von jährlich ein Prozent beschlossen. Dies entspricht bei derzeit 14 000 Beamten und Angestellten in der Steuerverwaltung einem Abbau von 140 Jobs pro Jahr.

Riß forderte die Landesregierung auf, die Sparmaßnahme nun zu stoppen. „Der Stellenabbau trifft eine Verwaltung, die die Leute dringend bräuchten“, sagte er. Derzeit könne der ehrliche Steuerzahler nicht mehr sicher sein, dass die Verwaltung zu seinen Gunsten etwaige Fehler von ihm korrigiere. Schummler und Betrüger hätten dagegen „eine große Chance“.

Laut Riß könnten mehr Steuerfahnder, Betriebsprüfer und Sachbearbeiter zu mehr Steuergerechtigkeit führen. Ohne eine gleichzeitige Lichtung des Steuerdschungels sei das Problem aber nicht zu lösen. Die derzeitigen Gesetze werde die Verwaltung nie auch nur annähernd vollständig vollziehen können. „Das würde so viel Personal erfordern, das kann niemand finanzieren.“

Stuttgarter Nachrichten

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